Wir werden ohne Angst geboren. Wenn wir einen Säugling beobachten, ist da keine Angst. Wenn ein Baby schreit, hat es Hunger oder es bekommt Zähne oder der Popo ist wund; es ist die einzige Möglichkeit der Kommunikation, wenn etwas „nicht in Ordnung“ ist. Für ein Baby ist alles, was es wahrnimmt neu. Schon im Mutterleib hat es Geräusche und Bewegungen kennengelernt, nach der Geburt stürmen neue Eindrücke pausenlos auf das kleine Wesen ein. Schreck und Neugier wechseln sich ab, es lernt und das rasend schnell. Schreck ist eine körperliche Reaktion auf Unbekanntes. Im Verstand gibt es noch nichts Vergleichbares. Schreck ist nicht Angst.
Ängste entstehen erst durch Prägungen von außen. In unserer so genannten zivilisierten Welt gibt es Gefahren, die vom Instinkt, also dem angeborenen Sinn für Gefahr, nicht erkannt werden. Aus der natürlichen, mütterlichen Betreuung wird Sorge. Die Ängste der Mutter werden auf das Kind übertragen, oft wird Angst sogar als Erziehungsmittel gebraucht, ein Kind soll ja brav sein.
Ich will das hier nicht weiter ausführen, interessant dazu ist das Buch von Jean Liedloff: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück – Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit. Sie beschreibt ihre Beobachtungen bei Indianern in Venezuela. Deren Art des Umgangs mit Kindern ist völlig anders, als in der zivilisierten Welt, nämlich angstfrei. Ergebnis: Das Zusammenleben aller ist glücklich und harmonisch.
Angst ist der gedankliche Vorgriff auf eine Situation, die noch nicht da ist, aber kommen könnte. Es ist eine negative Erwartung. Gedanken sind Energie und haben Kraft. Man muss sich also nicht wundern, wenn sich die negativen Gedanken manifestieren und die Befürchtung auch eintritt. Diese Erfahrung bestärkt dann wieder die Angst:“ Ich wusste es doch gleich.“ So entwickelt sich die Angst weiter, wird größer und beherrscht unser gesamtes Denken, Fühlen und Handeln.
Unser Instinkt bewahrt uns vor „Blödsinnigkeiten“, wie z. B. von einem Turm zu springen oder ins tiefe Wasser zu gehen, wenn man nicht schwimmen gelernt hat. Diese „Vorsicht“, vorausschauende Einsicht, ist angeboren. Es sind Ängste, die uns davor bewahren, uns selbst zu schaden, sie sind sinnvoll. Alle anderen Ängste sind erworben und angelernt und hindern uns zu leben. Sie schränken uns ein. Sie sind sinnlos.
Angst zu versagen, Angst vor Nähe, Angst vor Veränderung, finanzielle Ängste, gesundheitliche Ängste, Zukunftsangst, Angst vor Schmerzen, Angst vor dem Tod …. Die Liste ist lang und lässt sich beliebig verlängern. Die Ursache liegt in unserer „Aufzucht“, es sind nicht nur die Eltern sondern die ganze Gesellschaft, die uns suggeriert: „Ich habe Angst, Du solltest sie auch haben und wenn Du es nicht glaubst, werde ich es Dir beweisen. Die Welt ist schlecht und Du musst Dich davor schützen.
Ängste lösen Mechanismen zur Verteidigung aus. Wir lügen aus Angst vor Strafe. Wir schmeicheln aus Angst, sonst nicht geliebt zu werden. Wir schützen vor, keine Zeit zu haben, weil wir Angst haben, etwas anderes zu verpassen. Wir weisen eine Bitte ab, aus Angst, wir könnten ausgenutzt werden. Wir verzichten auf eine liebevolle Partnerschaft, aus Angst, verletzt zu werden oder der Verantwortung nicht gewachsen zu sein.
Auch diese Liste ist endlos. Es ist eine Liste der Freudlosigkeit, weil wir Angst haben.
Wenn Ängste das ganze Leben bestimmen, erscheint manchmal Selbstmord der einziger Ausweg zu sein, um die Angst zu beenden.
Menschen in dieser Phase haben einen Tunnelblick. Sie sehen nicht mehr das ganze Bild, sondern nur noch die negative Zukunft.
Ängste machen klein. Gefühle von Ohnmacht, Abhängigkeit und Mangel verursachen Gefühle von Unzulänglichkeit, Wertlosigkeit und Lebensangst. Gefühle verstärken sich gegenseitig.
Was sagt einem dazu der „gesunde Menschenverstand“? Negativität entsteht und wächst durch Negativität. Versuchen wir es doch einmal mit der anderen Seite, dem positiven Denken. Es gibt reichlich Literatur zu diesem Ansatz. Trotzdem scheitern viele und bleiben in ihrem negativen Denken verhaftet. Prägungen sitzen tief, „Autoritäten“ wird gefolgt, Gewohnheiten schaffen eine – wenn auch trügerische – Sicherheit. Es könnte ja noch schlimmer kommen.
Es gibt den Spruch: Lernen können wir nur durch Leiden. Wenn nur der Leidensdruck groß genug ist, kommt es zu Veränderungen. Muss das sein? Es gibt viele Beispiele dafür, dass es so ist. Man könnte sagen, wir sind es so gewohnt. Aber auch diese Gewohnheit lässt sich ändern. Wir haben den freien Willen. Die Natur des freien Willens besteht aber darin, dass wir nur die Stärke haben, uns selbst zu ändern. Dabei ist diese Kraft jedoch unbeschränkt.
Je tiefer verwurzelt unsere Ängste sind, desto länger ist der Weg, sich nicht mehr von ihnen beherrschen zu lassen. Der Anfang ist inne zu halten – STOP zu sagen, eine „Auszeit“ von der Angst zu nehmen - und sich dann ein paar Fragen zu stellen: Wo und wann haben sie angefangen? Wodurch wurden sie erzeugt? Was war vorher? Was war die Ursache? Was hat sich verändert?
Besteht die Ursache überhaupt noch oder kann ich die Ursache verändern? Hat das überhaupt etwas mit mir zu tun? Was will ich eigentlich wirklich?
Wenn man sich auf das konzentriert, was man will und nicht mehr auf das, was man nicht will, werden die Gedanken positiv. Es erfordert Übung, wie alles, was wir nicht gewohnt sind. Indem wir negative Gedanken loslassen und erst dann, schaffen wir Platz für positive Gedanken. Erstaunlich, wie schnell die Stimmung umschlagen kann.
Auch wenn es nicht immer sofort und bei allem gelingt, auch kleine Fortschritte sind motivierend und machen Freude. Auch Freude folgt dem gleichen Gesetz von Ursache und Wirkung. Freude erzeugt mehr Freude. Freude schafft Freundlichkeit. Freundlichkeit schafft Toleranz. Toleranz schafft Liebe. Die Erkenntnis über den Regelkreis von Ursache und Wirkung gilt immer. Warum also Angst haben und leiden, wenn es auch mit Liebe funktioniert, die uns glücklich macht? Wir haben immer die Wahl …
Unzufriedenheit, Klagen und Jammern sind weit verbreitet, man kann sagen, es ist ein Kulturgut. Alle machen das und man macht gerne mit. Wenn Sie damit aufhören, werden Sie eventuell Verwunderung ernten. Vielleicht wird man Sie beneiden. Das ist auch so eine Form von negativem Denken. Sie können es den anderen erklären, sie müssen es aber selbst begreifen und sich selbst verändern. Sie können das für niemanden tun. Lassen sie sich also nicht davon beirren. Die größte Ausstrahlung auf andere haben wir durch unser Sein und nicht durch unser Tun.
Alles (ist) Liebe, allen Lesern eine freudvolle Zeit,
Rolf
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Heidrun (Dienstag, 10 Januar 2012 11:37)
Wenn alles im Leben einen Sinn hat, dann hat auch die Angst einen Sinn.
Ich glaube, es geht nicht darum, die Angst zu überwinden. Wir sollten uns nicht von ihr beherrschen lassen. Dafür ist es wichtig, sie zu erkennen, liebevoll anzunehmen und mit Humor zu betrachten. Wenn wir sie uns bewusst machen, holen wir sie aus dem Schatten ins Licht.
Gruß
Heidrun
seele-verstehen (Dienstag, 10 Januar 2012 18:07)
Der Sinn von Angst ist zu lernen mit ihr umzugehen. Vor jeder Inkarnation wählt sich die Seele ihre Overleaves für das nächste Leben, um damit Erfahrungen zu machen. Hinter den Overleaves verbergen sich Ängste, die im jeweiligen negativen Pol wirksam sind.
Jede Entscheidung im Leben ist eine Entscheidung zwischen Angst und Liebe. Man hat immer die Wahl.
Franz Josef Neffe (Mittwoch, 08 Mai 2013 17:36)
ANGST kommt von lat. "angustum = eng".
Angst macht zwar alles enger aber sie nimmt nichts weg.
Wie A-Engste wirken, das hängt sehr mit dem - meist verkehrten - Umgang mit uns selbst und unseren Kräften zusammen, den wir von der Pädagogik beigebracht bekommen haben.
Wenn es sowieso schon ENG wird für uns, sollen wir uns noch mehr Mühe geben und uns noch mehr anstrengen. Sich anzustrengen engt einen aber noch mehr ein und ermüdet und erschöpft die Kräfte.
In der neuen Ich-kann-Schule geht man mit seinen Kräften & Talenten anders um. Da setzt man sich nicht selbst unter DRUCK und behandelt seine Kräfte wie Feinde. Da weiß jedes kleine Kind, dass auch die Kräfte von GEIST & SEELE regelmäßig und reichlich STÄRKUNG brauchen. Darum behandelt man seine Kräfte als FREUNDE, achtet und pflegt, stärkt und entwickelt man seine Kräfte. Wenn man sie zum WACHSEN bringt, wird man dem Leben GEWACHSEN und fühlt sich ihm auch gewachsen. Dann wächst man auch über die A-Engste hinaus.
Es geht also gar nicht (primär) um die Angst. Die ist nur ein Wegweiser, der uns sagt, dass es höchste Zeit ist, sich besser um seine Lebenskräfte zu kümmern.
Ich grüße freundlich.
Franz Josef Neffe