Text aus:
Varda Hasselmann, Frank Schmolke
Welten der Seele, Trancebotschaften eines Mediums
Arkana Verlag
Seiten 245 - 279
Das Beispiel Jesus:
Seine Entwicklung in früheren Inkarnationen
Für das Volk Israel war es vor mehr als zweitausend Jahren selbstverständlich, die Möglichkeit von Vorleben in Betracht zu ziehen, auch wenn die wenigsten konkrete Erinnerungen an frühere Existenzen hatten. Für Jesus von Nazareth waren seine eigenen Vorleben nicht theoretisches Konzept, sondern lebendige Realität.
Das findet seine Erklärung zum einen in der Tatsache, dass er eine Seele am Ende ihrer Reise durch die Inkarnationen war. Eine solche Seele wird sich immer mit Leichtigkeit erinnern können, und zum anderen darin, dass er sich bereits in den vorausgegangenen physischen Existenzen auf seine Aufgaben im letzten irdischen Leben vorbereitet hatte.
Die archetypische Seelenrolle, die Jesus erfüllte, war die des Helfers. Er war Helfer, und viele seiner Seelengeschwister waren es auch. Keine andere Seelenessenz ist in der Lage, so hingebungsvoll zu dienen und alle Tage so voll Freude in den Dienst am Menschen zu stellen wie die essentielle Seelenrolle des Helfers. Und nur dem Helfer in der Essenz ist es gegeben, den Zyklus der Inkarnationen so rasch zu durchlaufen wie Jesus.
Denn nur der Helfer ist bereit und findet Gelegenheit, in jedem Leben die Aufgaben seiner Essenz zu erfüllen, die im Dienst am Menschen bestehen und in der Erforschung von Liebe in der Haltung des Dienenden. Und keine Seelenrolle wird so leicht die Hingabe lernen, die notwendig ist, die echte Selbstlosigkeit, die es leichtmacht, Liebe zu spüren und liebend zu handeln, ohne der Angst und den Falschheiten des Ego zu verfallen.
Das Leben, das mit der Kreuzigung seinen Abschluss fand und danach nur in ungewöhnlich veränderter Form weiter bestand, war seine sechzigste Inkarnation. Ein Abschluss des gesamten Inkarnationszyklus innerhalb von sechzig physischen Existenzen ist ein relativ schneller Weg, um die Herausforderungen des körperlichen Lebens anzunehmen und zu bewältigen. Bevor Jesus das letzte Mal in einem rein menschlichen Körper auf die Welt kam, als Sohn irdischer Eltern, als biologischer Abkömmling von Maria und Josef, beseelt aber von einer Kraft, die die Summe aller seiner Erfahrungen darstellte, hatte er sich mit großer Überlegung in all den verschiedenen Völkerschaften und Rassen nacheinander inkarniert, die ihm durstig erschienen nach einer neuen Botschaft und einer neuen Erkenntnis. Dazu gehörten nicht die Chinesen, nicht die Eskimos, nicht die Ureinwohner Australiens, nicht die Bewohner Zentralafrikas und Arabiens, wohl aber die Kelten, Germanen, Ägypter und Äthiopier, die Syrer, die Völker Nordafrikas und der afrikanischen Westküste, die Hindus Mittel- und Südindiens, die Buddhisten des Himalaja-Raums, die Indianer Südamerikas -nicht aber die Indianer Nordamerikas - und die Völkerschaften Großrußlands, die Griechen und Phönizier. Die letzten drei Leben vor seiner finalen Inkarnation verbrachte er im Nahen Osten und dort vornehmlich in den Landstrichen, die in seinem letzten Leben zu Israel zählten. Diese vielfältigen und mutigen Inkarnationspläne dienten dem Zweck, alles kennen zu lernen, alles zu begreifen, zu durchdringen, alles zu verstehen und zu integrieren, was später für seine Lehre der reinen Liebe von Gewinn sein konnte. Nur das Wissen um die grenzenlos verschiedenen Möglichkeiten der Anschauungsweisen, der Reaktionsformen, der Lebensbedingungen und sozialen Strukturen des Zusammenlebens ließ ihn eine Toleranz entwickeln, eine Bereitschaft, alle Vorurteile abzubauen und eine liebende Einstellung zu formen, die von der Erkenntnis gekrönt wurde: Vor Gott sind alle Menschen gleich.
Wenn wir von Gott sprechen, so tun wir dies in dem Bewusstsein, dass es nicht entscheidend ist, wie das göttliche Prinzip, die Energie des Tao, des Allganzen, von den Menschen bezeichnet wird. Vielmehr wissen wir und möchten wir euch nahe bringen, dass das Empfinden der Göttlichkeit von größerer Bedeutung ist als ihre Bezeichnung oder ihre mentale Vorstellungsform.
Es ist weder richtig noch falsch, wenn verschiedene Völker sich unterschiedliche Bilder machen von dem, was sie als göttlich empfinden. Die Bemühung, das Empfundene in Worte zu kleiden und diesen Worten Gestalt zu verleihen, ist entscheidend und nicht das Resultat, das so variabel sein kann wie die Völker und Rassen selbst. Die Form, die eine Vorstellung des Göttlichen annehmen kann, ist abhängig von der seelischen Entwicklung, d. h. dem dominierenden Seelenalter eines Stammes oder Volkes. Zu Lebzeiten des Menschen, der Jesus genannt wurde, gab es auf dem Planeten Erde noch eine Vielzahl von Säugling- und Kind-Seelen und nur sehr wenige reife oder gar alte Seelen. Die Kind-Seele dominierte über die Junge Seele; die Jungen Seelen bewegten sich hin auf den Zustand der Reife. Und diese Seelen, die den späten jungen und frühen reifen Zyklus erreicht hatten, gemeinsam mit den wenigen alten Seelen, die sie lenkten und leiteten, waren jene, die Jesus mit seiner neuen Botschaft erreichen wollte. Sie waren es, die jene spirituelle Hilfe benötigten, die er ihnen zuteil werden ließ.
Wenn später deutlich wurde, dass die frohe Botschaft auch zu den so genannten Heiden getragen werden sollte, und sie des Empfangs ebenso würdig waren wie die strenggläubigen Juden, die auf den Messias warteten und sich in diesem Warten erschöpften, dann geht diese Heidenmission auf den Wunsch des lebendigen Jesus und die Absicht des gekreuzigten Christus zurück, allen Menschen die Hand zu reichen, die sich in Sehnsucht nach einer neuen Erkenntnis und nach einer Religion der Liebe verzehrten.
Die letzten drei Inkarnationen verbrachte er, wie wir andeuteten, auf dem Territorium der jüdischen Bevölkerung, das seinen Entwicklungszielen auch dadurch entgegenkam, dass die Elemente der römischen und griechischen Kultur sowie der Resteinfluss der ägyptischen und afrikanischen geistigen Errungenschaften in diesem Landstrich eine glückliche Mischung geistiger Phänomene darstellte. Mit den aktivierten und ins Bewusstsein integrierten Erkenntnissen, die Jesus auf seinen vielen Lebensstationen in der ganzen Welt, besonders auch durch seine Berührungen mit den damals noch jungen und deshalb wenig verfälschten Religionen des Ostens, erworben hatte, war er in der Lage, diejenigen zu erkennen und zu motivieren, die ihn bereits früher begleitet hatten, und die er während der letzten Jahre seines irdischen Wirkens zu seinen engsten Schülern und Aposteln berief. Er hatte sich, um nur einige Beispiele zu geben, in unmittelbarer Gefolgschaft von Sokrates und Buddha befunden. Er war Schüler hinduistischer Yogis gewesen. Er hatte die Geheimnisse der Druiden erforscht. Er war mit den spirituellen Erkenntnissen der afrikanischen Völker vertraut und auch die Lehren der Stoa hatten seinen Geist erreicht. Nun aber wandte er sich dem Judentum zu und bemühte sich, in drei aufeinander folgenden Leben seine Tiefen und seine Wahrheit zu erkennen. Wenn sich die pharisäischen Gelehrten über die durchdringenden Erkenntnisse und das umfassende Wissen aus den Schriften wunderten, über die das Kind Jesus mit einer Selbstverständlichkeit verfügte, die einem Wunder gleichkam, liegt das nur daran, dass sie die Erinnerungskraft einer alten Seele an ihre vorausgegangenen Inkarnationen nicht in Betracht zogen.
Und diejenigen, die als Vorläufer und Wegbereiter Jesu erkannt und bezeichnet werden, wie Johannes der Täufer oder der Prophet Elias, aber auch andere, gehörten zu den Geschwistern seiner Seelenfamilie, die ihn bei seiner Arbeit und der Vorbereitung seiner späteren Mission unterstützen wollten und bereit waren, dafür viele Opfer zu bringen.
Johannes der Täufer war ein Seelenbruder. Er war der Vorletzte der Seelenfamilie und ging vor Jesus selbst heim in die astrale Welt. Er war für Jesus der einzige wahre Gefährte, der einzige wirkliche Freund, der ihn und seine Existenz mit dem Herzen, mit der Intuition und mit den Kräften, die ihn inspirierten, erkennen konnte. So wie Jesus sich zu Johannes dem Täufer hingezogen fühlte und das Bedürfnis verspürte, von ihm berührt zu werden, so war für Johannes selbst dieser Kontakt, der ihn beglückte und zugleich verstörte, von großem Wert und immensem Trost. Denn auch Johannes besaß die hellsichtige Kraft der alten Seele, die ihm offenbarte, dass er den Körper verlassen könne, da sein Nachfolger und der, der das Werk dieser Seelenfamilie vollenden würde, nun die Arbeit zu beginnen trachtete.
Jesus war in den Inkarnationen vor seiner letzten nie darauf bedacht gewesen, ein großer, mächtiger oder einflussreicher Mensch zu sein. Seine Seele in der Rolle des Helfers erfüllte sich im Prinzip des Dienens. Und obgleich er alle Stationen menschlicher Existenz und menschlichen Wirkens durchlaufen hatte, war er weder ein historischer Feldherr noch ein mächtiger König, noch ein großer Architekt, noch ein weltberühmter Philosoph gewesen.
Vielmehr hatte er sich, so oft es ging, in die Rolle eines Lernenden begeben, um alle Kräfte zu sammeln und bereitzustellen für die exponierte Stellung, die er in seinem letzten irdischen Leben einnehmen sollte. Damit wollen wir nicht sagen, dass nicht auch er im Laufe seiner vielen Leben alle Höhen und Abgründe der menschlichen Psyche ausgelotet und sie am eigenen Leib erkannt hätte. Niemals kann Verzeihung wirksam sein und von Herzen kommen, wenn der Verzeihende nicht weiß, dass auch er der gleichen Tat fähig gewesen wäre.
Empfängnis und Kindheit
Als die Mutter Jesu den Samen ihres Ehemanns empfing, geschah etwas Besonderes, aber nicht ganz in der Art, wie es das Lukasevangelium schildert. Sie hat sich angerührt gefühlt von der Kraft einer fremden Seele, die in sie hinein ihre Energie verströmte und sie mit einem neuen Bewusstsein erfüllte. Das ist nichts Außergewöhnliches. Jede werdende Mutter kann spüren, dass das werdende Kind ihr Sein mit einer ganz eigenen Komponente bereichert. Wenn sie auf ihre innere Stimme hören will, die zu ihr darüber spricht, wen sie da in sich aufgenommen hat und birgt, und welch ein Zusammenspiel von Kräften sich aus dieser neuen Verbindung entwickeln wird, kann sie ihre Empfängnis als Gnade spüren.
Die junge Frau empfand diese Empfängnis, als sei sie von einem Engel berührt worden. Was geschehen war, lässt sich beschreiben und kann erklärt werden als die Visitation einer sich bewusst inkarnierenden Seele bei der Gastgeberin, die sich bereit findet, dieser Seele einen Körper zu geben und sie zu beherbergen, zu tragen und zu pflegen, bis sie eine menschliche Verantwortung für sich selbst übernehmen kann.
Der Mensch, der später Jesus genannt wurde, war das biologische Produkt zweier Menschen, und er war auch das seelische Produkt einer wohlüberlegten und gut geplanten Entscheidung auf dem zweiten Territorium der astralen Welt.
Die Seele, die sich in dem Menschen Jesus inkarnierte, war in höchstem Maße darauf bedacht, die geeigneten Bedingungen für diese ihre letzte Inkarnation bereitgestellt zu wissen. Die Umstande und das Ziel seines Wollens machten es für Jesus notwendig, dass er an einem bestimmten Ort, in einer fest definierten kulturellen und geschichtlichen Situation das Licht
der irdischen Welt erblickte. Und die Pläne setzten auch voraus, dass er mit seinen zukünftigen Eltern eine Wahl traf, die das hochgesteckte Ziel nicht behindern, sondern fördern würde. Diese Eltern sollten einfache, unverbildete Menschen sein, Menschen, die ihm eine ruhige und ungestörte Kindheit garantieren konnten, Menschen, die ihn nicht zu dominieren suchten, um seine kindliche, auch bei ihm als Mensch vorhandene Prägbarkeit für ihre Zwecke auszunutzen. Sowohl der Vater als auch die Mutter dieses ungewöhnlichen Menschen waren Wesen, die über geringe Ego-Kräfte verfügten und wenig verdorben waren, dass sie sich noch wundern konnten und eine stille Ehrfurcht vor dem Knaben besaßen, den sie auf die Welt gebracht hatten. Beide waren reife Seelen, die - ohne intellektuell gebildet zu sein - doch nachdenken konnten und spürten, dass der Mensch, der in ihrer Mitte aufwuchs, nicht mit dem vertrauten Maßstab gemessen werden mochte. Jesus hat sich Eltern gesucht, die nicht im Sinn hatten, seine Individualität zu brechen und zu zerstören.
Der Mythos der Jungfrauengeburt ist für viele Gläubige eine Hilfe gewesen, die Besonderheit eines Menschen unter Menschen annehmen zu können. Aber wir sagen euch, dass
euch nichts verloren gehen wird, wenn ihr euch den dogmatischen Forderungen, an eine Jungfrauengeburt zu glauben, nicht beugen könnt. Wir glauben euch sagen zu dürfen, dass ihr die Größe des Menschen Jesus, die Größe dieser uralten Seele und ihre Wirkungen erst dann wirklich zu schätzen lernt, wenn ihr diesen Menschen aller Mythen entkleidet, die sich aus historischen und religionsgeschichtlichen Gründen um seine Gestalt gerankt haben. Das heißt nicht, den Menschen Jesus auf eine kumpelhafte Art zu reduzieren und ihn pietätlos herabzuwürdigen. Richtig verstanden ist die Befreiung von Mythen und Legenden eine Hilfe für die Menschen des 20. Jahrhunderts und der Zukunft, Jesus als den Menschen zu sehen, der ihnen vorgeführt hat, dass niemand göttlich im herkömmlich-christlichen Verständnis sein muss, nur um wahrhaft lieben zu können. Jesus war nicht mehr und nicht weniger vom göttlichen Geist erfüllt als ihr alle, doch er öffnete sich ihm mehr als ihr. Was ihn von den meisten von euch unterscheidet, war sein Seelenalter und das damit einhergehende alles durchdringende Bewusstsein. Doch steht auch euch das Erlangen dieser Stufe in Aussicht, nicht als ein besonderes Verdienst, sondern als natürliches Ziel eurer seelischen Entwicklung - das Ziel, für das ihr ausgezogen seid, und das ihr ohne Zweifel alle erreichen werdet. Wenn nun manche von euch das Ziel früher erreichen als ihr selbst, seid ihnen nicht gram und schafft nicht eine Distanz zwischen, euch und ihnen, die euch alle Hoffnung nehmen und zu einer falschen Demut verleiten muss.
Die Kindheit Jesu verlief ruhig und ohne große, Zwischenfälle. Es entspricht nicht den Tatsachen, dass die Familie nach Ägypten fliehen musste, um sich der Verfolgung durch Herodes zu entziehen. Jesus kannte Ägypten aus früheren Inkarnationen. Die so genannte Flucht nach Ägypten ist ein Teil der umfassenden Mythenbildung, die auch im Zusammenhang mit der Schrift stand, die erfüllt werden sollte, und die darauf bestand, dass der Messias ein Verfolgter und Verratener sein müsse. Wir betonen noch einmal, was wir bereits gesagt haben: Der Mensch Jesus in seiner hohen Bewusstheit und seiner Klarsichtigkeit sorgte mit allen Mitteln dafür, dass er und seine Absichten nicht vor der Zeit bekannt werden sollten, und dass er sich in aller Ruhe und Gelassenheit auf die Jahre vorbereiten konnte, die der Ausführung seiner Pläne geweiht waren.
Wie die Flucht nach Ägypten, so ist auch die Geschichte der drei Weisen, die dem Stern folgten, um den Messias anzubeten, nicht historisch. Wohl aber spürten zu der Zeit, als diese alte Seele sich inkarnierte, viele von denen, die ihn aus früheren Inkarnationen kannten, ihn lieben und schätzen gelernt hatten, seine neuerliche Anwesenheit im Körper. Obgleich er der letzte seiner Seelenfamilie auf dem Planeten war, verfügte er doch über so viele Freunde aus anderen Seelenfamilien, die über den ganzen Erdball verstreut lebten, dass eine Freude über seine neuerliche Anwesenheit und auch ein im- bewusstes Gewahrwerden seiner Aufgaben und Ziele unverkennbar waren. In aller Stille und Bescheidenheit, in Zurückgezogenheit und pragmatischer Kontemplation gelang es Jesus, dem Menschen, die Arbeiten zu verrichten, die den Männern seiner Familie oblagen, die Schriften zu studieren, seine Seele zu pflegen und die Liebe zu genießen, die ihm von seiner Familie zuteil wurde, und die sich in zärtlichem Respekt vor seiner Andersartigkeit äußerte. Als er erwachsen wurde, konnte er seine Eltern davon überzeugen, dass sie ihn ziehen ließen, und er ging auf eine Wanderschaft, die ihn im Lande herumführte und ihn in die Lage versetzte, diejenigen aufzusuchen, die wie er alte Seelen waren und in deren Gegenwart er sich verstanden fühlte, ohne dass er sich enthüllen musste.
Wenn er später in den Jahren vor der Kreuzigung zu diesem oder jenem sprechen konnte: Folge mir nach! so waren diejenigen, zu denen er sprach, oft erschrocken. Ihr Verstand versuchte zu rebellieren, doch ihre Seele folgte dem Ruf, da die Kraft der alten Kontakte auf einer zunächst unbewussten Ebene diese Menschen lenkte und sie Dinge zu tun bewog, die sie sich selbst nicht erklären konnten. Er hatte sie bereits vorher ausgewählt und identifiziert und sprach seinen Aufruf erst aus, als er für diese Schüler eine offensichtliche Verwendung fand, da er für sein Werk Hilfe brauchte.
Die Kreuzigung und ihre Folgen
Schon vor dem letzten Abendmahl, stärker aber noch danach, wurde Jesus von Ahnungen gequält, die sich langsam zu Wissen verdichteten. Seine Hellsichtigkeit, die in den vorangegangenen Monaten immer stärker geworden war, zeigte ihm, was geschehen würde, wenn auch nicht in jedem Detail, so doch mit ausreichender Deutlichkeit, so dass er sich von Angst überwältigt fühlte und nach Wegen suchte, um sich von dieser Angst zu befreien, die an die tiefsten Schichten seines Menschseins rührte. Denn nun wusste er, dass es um sein Überleben ging. Ihm stand auch völlig klar vor Augen, dass das, was seine Hellsichtigkeit ihm zeigte, unvermeidbar war, und dass ihm der Versuch nichts nützen würde, sich seiner Bestimmung, sich seinem Schicksal zu entziehen. So gab es für ihn keinen anderen Ausweg aus der Situation, als sich ihr hinzugeben und seine Angst zu transformieren. Und weil die Angst ins Unermessliche angewachsen war, konnte sie sich auflösen. Sie verwandelte sich durch einen Akt der Gnade in eine ernste Liebe, die sich bereit fand, alles zu akzeptieren, nicht mehr zu handeln, nur noch geschehen zu lassen. In dem Augenblick, wo die Angst ihren Höhepunkt erreichte, um dann endgültig zu entweichen, geschah mit Jesus das, was ihr als Erleuchtung bezeichnet.
Und während er noch betete und Dunkel ihn umgab, spürte er, wie er von großer Ruhe ergriffen wurde, wie alles, was ihn jemals festgehalten hatte in seinem Körper, in seinem
Wunsch zu leben, von ihm wich und eine heitere Stille ihn erfüllte, die auch er noch nicht gekannt hatte. Von einem Verstrickten wurde er zu einem liebenden Beobachter aller Dinge und Geschehnisse der Schöpfung. Da er von nun an mit seinem Körper nicht mehr identifiziert war, obgleich er die Schmerzen spürte und auch den Hohn empfand, den man über seine Psyche ergoss, war ihm alles, was ihm jetzt widerfuhr, in gleichem Maße gültig.
Dadurch hatte er keine andere Wahl, als alles zu bejahen, als alles zu akzeptieren ohne Widerstand, ohne Kampf, ohne Verurteilung. Er war im eigentlichen Sinne ein Lamm Gottes geworden. Aber nicht ein Lamm im Sinne eines Opfers, sondern ein Lamm im Sinne einer Seele, die die höchste Erfüllung in Liebe gefunden hat, weil sie lebt, ohne Leben manipulieren zu wollen, und weil sie lebt aus dem Vertrauen heraus, dass für sie gesorgt wird und dass nichts, was geschieht, gegen sie gerichtet ist. Erfüllt von dieser wahrhaftigen Milde und Hingabe ließ er sich martern, und die Vergebung, die er denen zuteil werden ließ, die ihn peinigten, war keineswegs ein Akt der Großzügigkeit. Vielmehr fand Jesus sich in einer Verfassung, die es ihm unmöglich machte, nicht zu vergeben. Die Distanz, die er zu all dem hergestellt hatte, was mit ihm und um ihn herum geschah, erlaubte ihm, das Leid seines Körpers zu spüren, ohne zu hassen. Er war nun frei vom Zwang zu reagieren. Und weil er sich allen Geschehnissen ohne Widerstand hingab, erlaubte ihm sein Körper, in eine so tiefe Ohnmacht zu fallen, dass man ihn für tot halten musste.
Da sich keiner von denen, die die Kreuzigung beaufsichtigten, vorstellen konnte, dass ein Mensch diese Form der Folter lebend überstehen würde, ließ ihre Aufmerksamkeit nach. Und als die Dämmerung hereinbrach, verließen sie mit den anderen den Ort der Kreuzigung und kümmerten sich nicht weiter darum, was diejenigen mit den Leichen derer machen
wollten, die ihnen nahe standen. So wurde Jesus vom Kreuz abgenommen und gebettet. Er lag am Boden und wurde betrauert von vielen, die ihn geliebt hatten. Sein Bewusstsein und sein astraler Leib hatten sich während der langen und tiefen Ohnmacht von seinem Körper gelöst und waren in die Welten gewandert, die die Schwingungen seines transformierten Seins empfangen und spiegeln konnten.
Diese Reise bestand aus drei Stationen: Zunächst besuchte er das Territorium der zweiten astralen Welt, da er sich noch mit seinem Körper verbunden fühlte. Sodann wurde er an die Helfer und Brüder des dritten Territoriums verwiesen. Sie empfingen ihn wie einen der ihren und gaben ihm alle Kraft, deren sie mächtig waren, damit er seinen Körper nicht endgültig verlassen musste, sondern gestärkt zurückkehren konnte, ohne jemals wieder der zu sein, der er vor dieser Reise gewesen war.
Und eine dritte Station dieser Reise führte ihn in die kausale Welt, wo er Instruktionen empfing und weitere Kräfte, die ihm eine Aufgabe, eine Mission, auftrugen, die zum Ziel hatte, diese Liebe, die er erkannt hatte, und von der wir gesprochen haben, all jenen nahe zubringen, die nach ihr dürsten, aber nicht der Erleuchtung in gleicher Weise teilhaftig werden können.
Und als er diese Instruktionen zusammen mit der Kraft, die ihm behilflich sein sollte, empfangen hatte, kehrte sein astra1er Leib wieder zurück zu dem physischen Leib, der in der Nähe der Kreuzigungsstätte auf der Erde lag, und er war in der Lage, sich wieder mit dem Fleisch zu verbinden, die Energien der Erde mit den Energien der astralen und kausalen Welt zu verschmelzen. Das Bewusstsein kehrte in das physische Gehirn zurück, verband sich mit ihm und ließ ihn aus der tiefen Ohnmacht erwachen. Doch seine Klugheit gebot ihm, diejenigen, die sich seiner in Liebe annahmen, nicht zu erschrecken. Und seine Instruktionen waren ihm so deutlich, erfüllten ihn so vollständig, dass er der Versuchung nicht nachgab, die Augen aufzuschlagen und denen, die ihn salbten und in Tücher hüllten, zu erkennen zu geben, dass er lebte.
Seine Fähigkeiten waren schon während der vorangegangenen Jahre über das allgemein Menschliche hinausgewachsen. Seine mentalen Kräfte hatten ein Maß erreicht, das ihm gestattete, Dinge zu vollbringen, die von anderen als Wunder bezeichnet wurden. Er hatte sich selbst einer strengen Schulung unterzogen. Er wusste, wie er seinen Atem und seine Stoffwechselfunktionen kontrollieren konnte. Er hatte vieles gelernt von Mitgliedern esoterischer Schulen und geheimer Bünde. Ihm stand vieles zu Gebote, was andere für unmöglich hielten.
Und so beschloss er, für tot zu gelten und sich weiterer Kraft zu versichern, die der Heilung seines Körpers dienlich sein sollte, bevor er den Anweisungen seiner astralen Geschwister und seiner kausalen Lehrer folgte, die ihm bedeutet hatten, dass er als ganzer Mensch in erleuchteter Gestalt, als gehorsames, willfähriges Werkzeug dem Ziel des Ganzen dienlich sein sollte. Die Liebe zum Ganzen war größer als die Liebe zu denen, die ihn liebten. Als man ihn zu seiner vermeintlichen Grabstätte gebracht hatte, ließ man ihn dort zurück. Und als er sich allein wusste, wandte er alle Methoden, alles Wissen, alle Fähigkeiten, die er besaß darauf an, seinen Körper zu regenerieren,, seine Wunden zu schließen und sich mit Hilfe all jener seelischen Gefährten zu erholen, die bereit waren, ihn bei seinen Aufgaben zu unterstützen. Und als er sich nun heil und ganz fühlte in einer Weise, wie er es nie gewesen war, heiler und ganzer als je zuvor, da erhob er sich und trat aus der Gruft heraus. Er fühlte sich tatsächlich wie neugeboren, neugeboren als einer, der er nie gewesen war, erfüllt von einem Wissen, das er nie gekannt, bereit zu einer Mission, die er zuvor nur unvollkommen erahnt hatte, und befreit von allen Grenzen, die zuvor auf ihm gelastet hatten. Seine körperliche, psychische, geistige und seelische Energie hatte sich zu einer Schwingung gewandelt, die so fein und hoch war, dass sie denen seiner Mitmenschen nicht mehr gleichen konnte. Er musste deshalb all denen, die ihn von nun an erblickten, wie eine Lichtgestalt erscheinen.
Und so geschah es auch, dass sie ihn erkannten und dennoch gleichzeitig erkennen mussten, dass er ein anderer war; dass er ihnen nah und fern zugleich war; dass er einer der ihren war und doch ein völlig neuer. Sein veränderter Energiekörper war aber noch so frisch und empfindlich, seine Aura war so weit und hell, dass es ihm als Körper noch nicht angenehm war, berührt zu werden oder die Nähe niedriger schwingender Körper zuzulassen. Deshalb bat er die, die ihn berühren wollten: Rührt mich nicht an! Denn er war sich seiner in dieser neuen Gestalt, in dieser neuen Existenzform noch nicht so sicher, wie es einige Zeit später der Fall sein sollte.
Die Mission
Er war der letzte seiner Seelenfamilie gewesen, der sich noch im Zyklus seiner Inkarnationen befand. Er war von schmerzlicher Sehnsucht erfüllt, zu seinen Seelengeschwistern zu gelangen. Er war auf dieser Erde unendlich allein gewesen, da niemand von denen, die zu ihm gehörten, noch im Körper weilte.
Andererseits hatte er sich in einer Weise mit denen verbunden gespürt, die ihn vom dritten Territorium der astralen Welt her geleiteten, dass er in jedem Moment seines Lebens wusste, was zu tun war, und wer er sein konnte. Die Ahnung von seiner Bestimmung, die ihn seit seiner Geburt begleitet hatte, war nun zur Gewissheit geworden.
Er musste, um dorthin zu gelangen, einen Tod sterben, denn die Ohnmacht am Kreuz war ein Nahtoderlebnis in dem Sinne, wie ihr es auch von anderen beschrieben findet. Nur muss euch deutlich sein, dass solch ein Ereignis auf eine uralte Seele anders wirkt als auf eine junge oder eine reife Seele. Jesus war eine alte Seele und auf der siebten Stufe der Entfaltung.
Für alle Seelen, die diese Stufe erreicht haben, ist es die letzte, und keine von ihnen würde aus freien Stücken in den Körper zurückkehren. Die Rückkehr des Menschen Jesus in seinen Körper war das eigentliche Opfer. Denn die Sehnsucht nach Vereinigung mit seiner Seelenfamilie und nach der Energietransformation auf die kausale Ebene hinauf war sein ganzes letztes Leben lang schmerzhaft und unbezähmbar gewesen. Aber er war dazu ausersehen zurückzukehren und ein Lehrer im Fleische zu sein, wenn auch sein Fleisch sich niemals mehr vergleichen ließ mit dem Fleisch seiner Mitmenschen. Es war ihm von nun an gegeben, seinen Körper zu betreten oder ihn zu verlassen, ganz wie er es wünschte und für nötig befand.
Und der war nun auch den Gesetzmäßigkeiten von Raum und Zeit nicht mehr in demselben Maße unterworfen wie zuvor. Deshalb konnte er sich von einem Ort zum anderen verfügen, indem er seinen astralen Leib vorausschickte und den Körper nachfolgen ließ. Das befähigte ihn, unvermutet hier und dort aufzutauchen und denen zu erscheinen, die er zu sich rufen wollte und die seine Helfer sein sollten bei der großen Mission.
Sehr wenige sind auserwählt. Und wenn ein Mensch seine letzte Inkarnation vorbereitet in dem 'Wissen, dass es die letzte sein wird, stellt er sich damit auch den abschließenden Aufgaben, die eine solche letzte Inkarnation zu einer Erfüllung und Befriedigung werden lassen. Damit wollen wir nicht sagen, dass jeder, der dieses Stadium erreicht, die Aufgaben erfüllen muss, die Jesus sich gewählt hatte.
Wir sagten bereits: Er war der letzte seiner Seelenfamilie der noch auf dem Planeten Erde weilte. Er war deshalb doch kein Nachzügler, der alle Lernmöglichkeiten des irdischen Daseins besonders zögerlich oder langsam ausgeführt hätte. Die erste und die letzte Seele einer Familie, die das dritte Territorium der astralen Welt erreichen, haben eine besondere Funktion.
Von den Pflichten der ersten Seele haben wir bereits gesprochen. Sie wacht in der, astralen Welt über all jene Mitglieder ihrer Seelenfamilie, die sich noch inkarnieren. Die Pflichten der letzten Seele bestehen darin, all das, was die vernetzte Erkenntnis seiner exkarnierten Seelengeschwister ihr übermittelt, durchzuführen und mit letzter Konsequenz auf die eigene leibliche Existenz anzuwenden. Niemand ist mit so starken Banden gebunden an seine eigene Seelenfamilie, die schon in der astralen Welt weilt, wie der Letzte auf Erden.
Aber Jesus hatte noch mehr Pflichten, die sich langsam in seiner Wahrnehmung herausbildeten und zu einer inneren Bestimmung wurden, der er sich nicht entziehen, konnte und sich auch zunehmend nicht entziehen wollte. Er war mit einem Bewusstsein zur. Welt gekommen, das so gereinigt war, so unverstellt, unverhüllt von den Nebeln des Vergessens, dass er sich an alles erinnern konnte, was er sich in der letzten Zwischenzeit auf der astralen Ebene vorgenommen hatte. Und darüber hinaus konnte er sich an alle seine vergangenen Inkarnationen erinnern und an die Vorbereitungen, die er für die Erfüllung der letzten Aufgaben getroffen hatte. Wenn wir jetzt von Aufgaben sprechen, möchten wir sie deutlich von der Mission unterschieden wissen, die ihm nach seiner Kreuzigung aufgetragen wurde.
Sehr wenige sind auserwählt. Sehr wenige auch finden sich bereit, sich so hingebungsvoll ihrer inneren Wahrheit zu stellen, dass sie die Voraussetzungen schaffen, auserwählt zu werden. Jesus hat sich in seiner letzten Inkarnation, wie auch in vielen vorangegangenen, wenn auch nicht in allen, seiner Berufung nicht verweigert. Und er hat sich seiner inneren Wahrheit gestellt mit einem Mut, der so selten ist wie ein großer Diamant.
Wenn wir sagten, die Kreuzigung war unvermeidbar, dann meinen wir damit, dass Jesus wusste, er würde seine Bemühungen durchkreuzen und seinen Plan zunichte machen, wenn er seiner Angst vor dem Sterben stattgeben würde. Es wäre ihm durchaus möglich gewesen, sich zu entziehen, sich vor den Häschern zu verbergen, zu fliehen von dem Ort, von dem er wusste, dass dort sein Schicksal harrte. Gerade diese Freiheit der Wahl macht die Größe seiner Entscheidung aus. Freiwillig in den Tod zu gehen, ohne das Bedürfnis zu verspüren, das Leben zu beenden - das unterscheidet diesen Schritt von den möglichen Formen des Selbstmords. Eine unwiderstehliche Macht zog ihn dorthin, wo er ahnte, dass ihm seine Berufung zur Auserwählung werden könnte. Aber auch er war ein Mensch, der den elementaren Forderungen des Körpers unterlag. Und deshalb fürchtete er um sein Leben. Er wollte sich den physischen Schmerzen nicht entziehen. Er war sich der Qual, die auf ihn wartete, wohl bewusster als die meisten anderen. Er konnte sich seiner Bestimmung nicht entziehen, weil er geleitet wurde und ermuntert von denen, die auf dem dritten Territorium der astralen Welt auf ihn warteten. Denn sie wünschten sich nichts sehnlicher, als endlich vereinigt zu sein und sich transformieren zu können zu der verschmolzenen Entität, die ihnen einen Aufstieg in die kausale Welt ermöglichte.
Auch dieser Verantwortung war sich der Mensch Jesus bewusst. Nicht das Sterben im Sinne eines Hinübergehens machte ihm Angst, sondern die Umstände seines Todes. Als diese Angst erst einmal überwunden war und transformiert in Hingabe, erinnerte er sich all der Tode, die er in seinen vielen Inkarnationen gestorben war. Diese Erinnerung half ihm, die Tatsachen, die ihn erwarteten, nicht über zu bewerten.
Was jedoch damit auch immer deutlicher wurde, war die symbolische Bedeutung, die seine Kreuzigung haben würde im Zusammenhang mit seiner Bestimmung. Die große Mission war der Auftrag, den Menschen, die sich aufgrund ihrer seelischen Entfaltung danach sehnten, die Vorstellung einer bedingungslosen Liebe nahe zubringen. Die Begriffe der Gnade, des Verzeihens und des Nicht-verurteilt-werdens waren in den historischen Jahren, in denen Jesus sich auf der Erde bewegte und als Mensch teilhatte an den Begrenzungen des Irdischen, nur dem Konzept nach bekannt. Gelebt wurden sie aber nicht, da gerade im zeitgenössischen Judentum die pharisäische Strenggläubigkeit der Liebe, dem Verzeihen und dem Nicht-Verurteilen keinen Raum mehr gelassen hatte. Und auch in der übrigen Alten Welt, die zum Wirkungsbereich des gekreuzigten Jesus werden sollte, hatten sich die Menschen in die Polarität von Sünde und Strafe, in die Vorstellungen von Strenge und Unerbittlichkeit geflüchtet in dem Glauben, dass der Mensch, gleichgültig was er auch anstrebte, niemals gerecht sein könne, dass die Welt Gottes oder der Götter mit ihnen, den Menschen, nur strafend oder höhnend verfahren könne.
Die Energien der astralen und der kausalen Welt waren deshalb denjenigen nicht mehr zugänglich, die sie suchten und die sie dringend brauchten. Und da die Glaubenssätze der Menschen von der Angst vor Strafe geprägt waren, wurde diese Angst so stark, dass sie eine Barriere darstellte, auch für den Zugang der Entkörperten zum Bewusstsein der Menschen.
Es wurde nun zur Mission Jesu, diese verkrusteten Strukturen, diese verhärteten Barrieren der Angst niederzureißen und all denen, die es begreifen konnten, all denen, die reif für eine solche Einsicht waren, eine neue Einsicht zu geben in das, was möglich ist, in eine Liebesfähigkeit, die über die Grenzen der Angst hinauswachsen kann, in die Möglichkeit, dass ein Mensch sich freier entfalten kann, wenn er bereit ist, auf seine eigene Gesetzmäßigkeit zu achten und sie auch bei anderen zu respektieren. Die Wirklichkeit der Gnade und des Verzeihens an die Stelle der Angst vor Vergeltung zu setzen - darin erfüllte sich ein großer Teil seiner Mission. Nur ein Mensch, der selbst der Gnade und des Verzeihens teilhaftig geworden ist, nur jemand, der am eigenen Leibe und in der Wahrheit seiner Seele erfahren hat, wie wohl es tut, wenn ihm verziehen wird von den Menschen und von denen, die nicht Menschen sind, wird dieses Verzeihen, diese Liebe auch weitergeben können. Nur ein solcher Mensch wird sich der Liebe öffnen können in dem Wissen, dass sie eine Heilung der Seele bewirkt, die nichts anderes auf der Welt zustande bringen kann.
Jesus war dazu auserwählt, seinem Volk und all jenen, die bereit waren zu hören, nahe zubringen, dass Liebe und Gesetzestreue nicht in der Weise miteinander zusammenhängen, wie es den Menschen seiner Zeit gelehrt wurde. Die Liebe zu Gott war missverstanden worden als eine Achtung der Gesetze und als eine Gottesfurcht, die der wahren Liebe in höchstem Maße widerstreben musste. Sie musste der wahren Liebe, die sich nur in Freiheit und Freude erfüllen kann, deshalb widerstreben, weil ein Leben in der Furcht vor dem Fehltritt, der Furcht vor dem falschen Schritt, einen Menschen so einengt und seine Wahrnehmungsfähigkeit für seine innere Wahrheit und die Wahrheit seiner Mitmenschen so einengt, dass er nicht mehr in der Lage ist, zu unterscheiden zwischen dem, was wirklich gottgefällig ist, und dem, was den Priestern als gottgefällig erscheint. Und es gehörte auch zur Mission, zur großen Mission Jesu, die Verwirrung, die die Völker des römischen Großreichs in spiritueller Hinsicht ergriffen hatte, zu klären und ihnen ein Angebot zu machen, das sie hinleitete zu ihrer eigenen Wahrnehmungsfähigkeit, ihrem eigenen Gewissen, ihrer Selbstverantwortung für das, was sie taten und das, was sie unterließen.
Die Liebe des Herzens über die Treue zum Gesetz zu stellen, und die Liebe des Herzens in Gegensatz zu stellen zur Furcht vor dem Fehltritt, die Liebe zum Menschen gleichbedeutend zu machen mit der Liebe zu Gott - das war das Geschenk, das Jesus mit seinem Auftrag zu den Menschen brachte, denen er sich nahe fühlte, weil er ein wahrhaftiger Mensch mit aller Menschlichkeit war, die ein Mensch nur erreichen kann.
Und es gehörte zu seiner Mission, in seiner erfüllten Lichtgestalt diejenigen zu inspirieren, die sich auf ihn und das, was er lehren konnte, vorbereitet hatten, sie zu erreichen und ihre Herzen zu wandeln, indem er ihre Furcht in Gewissheit umformte, so dass sie aus der Wahrheit ihrer Erkenntnis heraus das neue Wissen weiter tragen konnten und andere, die bereit waren, mit dem Licht der Liebe entzünden konnten. Jesus selbst war eine lodernde Fackel, die ihr Licht weiter tragen konnte, und an der ein jeder seine innere Flamme entzünden konnte, der es wahrhaftig wünschte. Diese Fackel aber brachte er zurück von seiner Reise in die entkörperten Welten. In seiner neuen Form und Gestalt hat er das Entstehen des Christentums direkt beeinflusst, indem er sich telepathisch, aber auch materialisiert jenen genähert hat, die die energetischen Voraussetzungen für ein Empfangen seiner Botschaft mitbrachten. Er erschien ihnen im Traum, er erschien ihnen als Vision, er stand neben ihnen, um ihre Handlungen zu lenken und zu leiten in eine Richtung, die in seinem liebenden Sinne war. Er stärkte den Geist und die Herzen jener, die sich in Not befanden und vermittelte ihnen ein Wissen und eine Klarheit, die sie befähigten, anders zu sein und anders zu handeln, als sie es gewohnt waren. Diese Menschen, die Jesus während seines intensiven Wirkens auf dem Planeten erreichte, wurden später Heilige genannt. Sie waren durch ihr Erlebnis inneren Lichts transformiert und konnten somit zu der Verbreitung der neuen Liebe beitragen.
Das intensive Wirken des gekreuzigten Jesus dauerte nach eurer Zeitrechnung ein wenig länger, als vierhundert Jahre. Später war es nicht mehr so häufig notwendig, dass er sich der Anstrengung der Materialisierung unterzog. Er tat es nur noch, wenn es ihm von großer Tragweite und Bedeutung schien, und wenn er wusste, dass er damit eine neue Welle von Impulsen auslösen konnte, die wiederum diejenigen erreichten, die bereit waren.
Die Christen sprechen viel von Umkehr. Aber das, was Jesus bewirkte und anstrebte, war keine Umkehr, sondern eine Abkehr von der Dunkelheit des Herzens, hin zu einem angstfreien Blick in die Zukunft, ein Blick, der die Freude am Leben und die wärmenden Strahlen der Liebe nicht verschmähte, und ein Blick, der sich nicht verdüsterte angesichts der Endgültigkeit des Todes. Denn er zeigte den Menschen, die keinen Ausblick mehr hatten, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende sein würde, dass es nicht nur ein Paradies gibt dort, woher alle kommen, sondern ein noch schöneres, ein noch größeres und helleres dort, wohin alle gehen. Und er zeigte ihnen auch, dass die Selbstgerechtigkeit desjenigen, der glaubt, nur sein Gesetz und seine Art zu leben seien Gott gefällig, nichtig ist; dass alle seiner Lehre der Liebe und der Gnade teilhaftig werden können; dass niemand eine Vorleistung erbringen, eine Bedingung erfüllen muss, um von ihm erreicht zu werden. Wenn Mission, wie sie heute verstanden wird, als Angebot oder Geschenk zur Verfügung gestellt wird, als ein Angebot, das auch abgelehnt, als ein Geschenk, das zurückgewiesen werden kann, dann erfüllt sie ihren Sinn. Wenn Mission als Zwang, Manipulation oder als Instrument der Angst eingesetzt wird, ist sie in allen Teilen das Gegenteil von dem, was Jesus wünschte.
Er lebte nach der Kreuzigung nicht ununterbrochen in seinem physischen Körper. Er belebte ihn, wann immer er die Notwendigkeit sah, es zu tun. Sein Körper war für ihn ein Instrument. Er konnte sich in ihm materialisieren, wenn dies das Gebot der Stunde war. Und er benutzte diesen Körper, um seine Aufgaben zu erfüllen. Doch ebenso oft verließ er ihn auch für, längere Zeit, um sich dort aufzuhalten, wo inzwischen seine eigentliche Heimstatt war.
Wenn er im Körper war, kam es ihm lang vor. Doch wenn er auf dem dritten Territorium der astralen Ebene bei seinen Brüdern weilte, war ihm die Zeit nicht lang. Auch die astralen
Brüder mussten noch warten, doch sie brachten das Opfer gern, als sie sahen, dass sie durch das Wirken von Jesus im Körper neuen Zugang zu den Menschen gewannen und ihre
Hilfe ohne Hindernisse zuteil werden lassen konnten. Denn erst die Besinnung des Menschen auf sich selbst macht eine liebende Beeinflussung durch die entkörperten Seelengeschwister zu einem Akt von großer Wirksamkeit.
Doch wurde er lange noch gesehen, und er war von den Menschen kaum zu unterscheiden von einem, der seinen Körper nicht nach Belieben verlassen kann. Das war seine Methode. Das war seine Technik, um die Aufgaben zu erfüllen, die ihm gesetzt worden waren. Er wusste, dass er die Menschen nur als Mensch erreichen kann, und dass er ihnen menschliche Liebe nur als Mensch nahe bringen kann. Göttliche Liebe folgt unmittelbar aus der menschlichen Liebe.
Individuelle Fragen
Deine Frage hat ihren Beweggrund in dem großen Mitgefühl, das dich anrührt, wenn du dir vorstellst, was der Mensch Jesus am Kreuze erlebt und gelitten haben muss. Und aus diesem Mitgefühl stellst du die Frage: War denn das wirklich nötig? Musste er auf eine so erschreckende und grausame Art sein Leben verlieren? Wozu war das gut? Ware es nicht auch anders gegangen?
Die Kreuzigung hatte vielschichtige Funktionen. Zunächst einmal war es ein Tod, eine Strafe, die von aller Öffentlichkeit beobachtet und bezeugt werden konnte. Die Öffentlichkeit dieser Todesform war von besonderer Bedeutung, denn nur wenn viele bezeugen konnten, dass sie den Gekreuzigten hatten sterben sehen, war der Glaube an die Auferstehung gewährleistet.
Eine zweite Funktion kann mit dem Aspekt der Schande beschrieben werden, der mit dieser Form von Strafe verbunden war. Jesus hatte sich ein Leben gewählt, das in Einfachheit gelebt wurde und ihn in den Augen seiner Mitmenschen, seiner jüdischen Glaubensbrüder zum Gegenteil eines Königs der Juden machte, und der Tod in Schimpf und Schande, die
Kreuzigung als Strafe für einen Verbrecher, hatte in diesem Kontext einen besonderen Symbolwert. Die innere Absicht, die damit verbunden war, kann als Wunsch beschrieben werden, Jesus nicht zu erheben über all die, die vor dem Gesetz sündig geworden waren, und ihn auf eine Stufe zu stellen mit allen, denen in den Augen der Gesetzestreuen niemals vergeben werden konnte. Erst durch diesen Abstieg, diese Darstellung als jemand, der wie andere arme Sünder von der Macht der öffentlichen Gesetzgebung erreicht wurde, gestattete es Jesus, für all die zum Stellvertreter zu werden, die an der untersten Grenze derer standen, die von der Welt anerkannt werden konnten.
Wäre Jesus ein mächtiger, reicher und berühmter Mann gewesen, hätte er niemals seinen Anspruch verwirklichen können, für alle da zu sein. Die gesellschaftlichen Bedingungen seiner Epoche und seiner Heimat hätten es nicht gestattet, ihn zum Botschafter der göttlichen Vision zu machen in dem Sinne, wie die Juden Palästinas es erwarteten.
Die dritte Funktion des Kreuzes erfüllt sich in der prophetisch angekündigten Gestalt seines Opfers. Jesus selbst wusste, dass er nur dann von allen, die diese innere Bereitschaft zeigten, anerkannt werden würde, wenn er die Ankündigungen der Schrift Schritt für Schritt erfüllen würde und dazu gehört auch sein Tod. Die Propheten hatten über Jahrhunderte den Messias angekündigt als einen, der die Bedingungen der Schrift erfüllen würde. Jesus wusste sehr genau, dass es anders nicht möglich sein würde, und auch als Mensch hat ihm die schrittweise Erfüllung der prophetischen Weissagungen geholfen, seine Aufgaben zu erfüllen. Nur weil er selbst im tiefsten davon überzeugt war, der angekündigte Messias zu sein, nur weil er bereit war, alle Versprechen der Schrift einzulösen, erwarb er die innere Stärke und die äußere Kraft, seinen Weg zu gehen. Hätte er jemals daran gezweifelt, wäre es ihm nicht möglich gewesen, das zu tun und zu predigen, was seiner Aufgabe entsprach. Vieles von dem, was seit Jahrhunderten angekündigt war, hat er bestätigt, und vieles hat er auch verändert und in Frage gestellt, denn die innere Wahrheit, die ihn erfüllte, wich in manchen Punkten von dem ab, was ihm aus den Worten der Propheten bekannt war, und er musste sich bemühen, all das in Einklang zu bringen, seine eigene, gewachsene und authentische Auffassung vom Reich Gottes mit dem, was die Propheten für den Heiland, den Messias, geweissagt hatten.
Jesus als Mensch hat immer Rücksicht genommen auf die Begrenzungen derer, die ihn umgaben, auch wenn er manchmal daran zu verzweifeln schien. Aber auch er als Mensch unterlag den Begrenzungen seiner Zeit und seiner Gesellschaft, zwar nicht in demselben Maße wie andere, aber dennoch war es so. Der feste, unumstößliche Glaube an einen einzigen Gott als Vatergott war ihm ein Richtmaß, das er nie in Frage und auch niemals zur Diskussion gestellt hat. Er mag nach seiner Kreuzigung gewusst haben, dass das göttliche Prinzip sich nicht auf das, Vaterprinzip beschränkt, doch zu seinen Lebzeiten als Mensch unter Menschen wusste er das nicht. Wenn Jesus nun an das Kreuz geschlagen wurde und am Kreuz einen körperlichen Tod erlitt, der, wie wir sagten, ein Nahtod war und ihm gestattete, später in seinen Körper zurückzukehren, so geht es nicht darum, dass er das Kreuz als Symbol für die von ihm zu stiftende neue Weltanschauung und Rückbindung vorgesehen hatte. So weit ging seine Voraussicht nicht. Jede andere Form von öffentlicher und schändlicher Hinrichtung wäre seinen Zwecken gleichermaßen entgegengekommen. Jesus musste sterben. Sein Tod, war notwendig, um die Schrift zu erfüllen und um den Menschen, die bereit waren, seine Lehre anzunehmen, einen Rückhalt zu geben, den sie nicht anzweifeln mussten. Ihr dürft nicht vergessen, dass alle, die um ihn herum waren, aus einer tiefgläubigen Tradition kamen und nicht nur beglückt die Nähe des Meisters annahmen, sondern auch verwirrt und entsetzt waren über das, was er sagte, und was von ihrem Glauben abwich. Sie waren in hohem Maße verunsichert und benötigten, um sich nicht abwenden zu müssen, eine Orientierung, an die sie sich halten konnten, und die Erfüllung der Schrift in all den Punkten, die ihnen wichtig erschienen, war eine Grundvoraussetzung. Auch Jesus, als er vor Pilatus stand und gefragt wurde: »Bist du der König der Juden? « sagte: »Ja, so ist es. « Denn wenn er diese Bezeichnung öffentlich in Frage gestellt hätte, wäre seine Lebensaufgabe in Gefahr gebracht worden. Er selbst hätte sich nicht als König der Juden bezeichnet, aber die Schrift wollte es so. Ihm war es immer von Herzen gekommen, sich als Sohn Gottes zu bezeichnen. Die Vorstellung der Herrschaft, auch im weltlichen Sinne, war ihm weniger vertraut, und da er das Dienen als sein Seelenprinzip erfasst hatte, war ihm nicht wohl dabei, sich als »König der Juden« zu bezeichnen, denn er wusste, dass die Obrigkeit und Pilatus dies nicht symbolisch verstehen würden, sondern als eine Mitteilung, die die staatliche Gesetzgebung bedrohte.
Jesus musste so sterben, weil seine eigene hellsichtige Wahrnehmung ihm gewährleistete, dass dies die richtige und beste Entscheidung war im Sinne des Ganzen. Der Tag war recht, die Art war recht, und er wusste, dass ein Ausweichen weder in seinem persönlichen noch im allgemeinen Verständnis der Sache von Vorteil gewesen wäre. Als er einmal akzeptiert und mit großer Demut angenommen hatte, dass es geschehen werde, nahm er auch alle damit verbundenen Umstände an und sprach: So sei es.
2. Jesus erwartete auch das Ende der Welt. Es ist aber nicht eingetreten. War er wirklich davon überzeugt? Wie konnte er sich so irren?
Wir sagten, dass Jesus trotz seines erfüllten Inkarnationszyklus und seiner vollgültigen Menschlichkeit ein Mensch seiner Epoche war und damit den Begrenzungen seiner Zeit und seines Stammes untergeordnet. In diesem Zusammenhang bezweifelte er auch nicht die Vorstellung der Alten, dass sich mit der Ankunft des Messias die Zeit erfüllen würde, und die eschatologischen (Lehre von den Hoffnungen auf Vollendung des Einzelnen) Vorstellungen waren ihm so selbstverständlich, dass auch er in seiner Gestalt als Mensch sich nicht vorstellen konnte, dass es anders sein könnte.
Diese gesamte messianische Tradition gipfelte in einer Vorstellung von körperlicher und politischer Erlösung, in einer Befreiung von Leid, die keineswegs auf das spirituelle Leid beschränkt war. Als nun der Gekreuzigte von seiner Reise in die entkörperten Welten zurückkehrte, da wusste er, dass die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Welt sich nicht erfüllen würde, denn seine Mission, die frohe Botschaft der Liebe, hatte nur dann einen umfassenden Sinn, wenn sie die Notwendigkeiten einer neuen Zeit erfüllen würde. Die neue Zeit aber konnte nicht nur wenige Jahrzehnte andauern. Das Opfer und auch die Vorbereitung des Opfers wären zu groß gewesen, um ausschließlich einer politisch-weltlichen messianischen Erwartung gerecht zu werden. Auch die Hoffnung der Strenggläubigen, von allen Einschränkungen, die sie sich selbst auferlegt hatten, erlöst und vom Gefängnis des Körpers befreit zu werden, konnte sich so nicht erfüllen. Denn wer keinen Körper mehr hat, kann die Liebe nicht erfahren in der Weise, wie der Gekreuzigte sie verkündete, und nicht in der Weise, wie die göttlichen Helfer sie zum Heil der gereiften Seelen bereitstellen wollten.
Die Nachfolger des Gekreuzigten brauchten ihrerseits die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Welt im Sinne der messianischen Prophezeiungen, denn auch das gab wiederum vielen die Kraft, all ihre persönlichen Belange hinten anzustellen und sich zur Verfügung zu halten aus dem Glauben heraus, dass sie nichts mehr zu verlieren hätten. Sie waren der Ansicht, dass ihr Leben ohnehin bald zu Ende sein würde, und dass sie in einer großen, endgültigen Anstrengung das Reich Gottes auf Erden erleben könnten. Diese ganzen Maßnahmen dienten dazu, die Menschen, die sich der neuen Möglichkeit zu fühlen, zu denken und zu handeln öffneten, einen Bezugsrahmen zu geben, der sie nicht verzagen ließ.
Eine neue Lehre wird sich - das gilt damals wie heute - nicht durchsetzen können, wenn sie allzu radikal das Unerhörte verkündigt und das ablehnt, woran die Menschen sich halten. Im Sinne des Ganzen - wir betonen es immer wieder— war es, der neuen Lehre zu einem Durchbruch zu verhelfen, der ihr einen langen und festen Bestand sichern würde. Die Ereignisse überstürzten sich ohnehin. Alles, was mit Gewalt und ohne Rücksichtnahme auf das Einsichtsvermögen und das innere Wachstum des einzelnen durchgesetzt wird, hat auf lange Sicht gesehen keine Chance zu überleben. Es war aber ein wesentlicher Bestandteil der Mission des Gekreuzigten, dafür zu sorgen, dass die nun herangereiften Seelen Gelegenheit bekämen, sich über Jahrhunderte hinweg neu zu orientieren und ein Licht in der Ferne leuchten zu sehen, das ihnen Trost geben sollte.
Die Selbstoffenbarung war ein gradueller Vorgang, der von Jesus selbst nur in tastenden Schritten vollzogen wurde. Die ersten Versuche, seine Anliegen offen zu leben, vor den Menschen auszubreiten, zu vertreten und sich den Folgen dieser Akte auszusetzen, lassen sich knapp vier Jahre vor seiner Kreuzigung beobachten. Davon steht in den Evangelien noch nicht viel, aber was ihr beobachten könnt, ist die kluge, bisweilen gar ängstlich anmutende Zurückhaltung, die Jesus denen auferlegte, die mit ihm in Berührung kamen und Zeugen seiner Blüte wurden. Wir denken dabei weniger an das, was das Neue Testament als Wundertaten bezeichnet, sondern vielmehr an die schrittweise Identifizierung von Jesus dem Menschen mit dem angekündigten Messias, die sich im Bewusstsein der Jünger herauskristallisierte. Jesus wollte vermeiden, dass er aufgegriffen und verhaftet würde, bevor er die pragmatischen Grundlagen für die Verbreitung seiner hohen Liebesbotschaft gelegt hatte. Es war für ihn nicht leicht, in jedem Moment abzuwägen und politisch vorzugehen. Er musste sich selbst und seine Kräfte zugunsten des Ganzen disziplinieren und lernen, seinen natürlichen Impulsen nicht stattzugeben, die dazu geführt hätten, dass er vor Liebe und Freude nahezu hätte bersten müssen.
Immer wieder ermahnte er sich selbst, die Heilungen, die seine überwältigende, hochfrequente Energie bei denen bewirkte, die sich ihr anvertrauten, zurückzustellen, um nicht allzu sehr ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu geraten. Aber sein Mitgefühl mit denen, die in Not waren und litten, war deshalb nicht weniger groß. Er stellte nicht selten die Erfordernisse seiner Planung zurück, um dem leidenden Menschen, der ihn um Hilfe. anflehte, seine Liebe zu schenken. Stets musste er sich daran erinnern, dass er ein Diener des großen Plans war und dass alles, was er tat und bewirkte, diesem großen Plan untergeordnet sein musste. Deshalb ließ er sich oft von den Schülern geradezu nötigen, noch diesem und jenem zu helfen. Er tat es mit aller Freude, doch auch mit der Befürchtung, dass damit eine Gefahr heraufbeschworen werden könnte, die zu bändigen außerhalb seiner Kraft als Mensch liegen würde.
Andererseits war ihm auch bewusst, dass es dem Ganzen ebenso dienen würde, diejenigen zu überzeugen, die sich durch so genannte Wunder am schnellsten und nachhaltigsten seiner Energie öffnen würden. Vergesst nicht, dass der größte Teil der damaligen Weltbevölkerung aus Säugling- und Kind- Seelen bestand, die für nichts anderes als Symbole und feste Bezugspunkte zugänglich waren, und dass Jesus zu dieser Zeit nicht immer direkt die alten Seelen erreichen konnte, sondern ihnen auch indirekte Botschaften zukommen lassen musste. Da er nicht persönlich in die entlegensten Winkel Palästinas reisen konnte, und die Kommunikationsmöglichkeiten äußerst beschränkt waren, war er darauf angewiesen, dass es sich herumsprach, dass er existierte und was er tat. Deshalb vertraute er immer wieder darauf, dass die Verbreitung seines Wirkens besonders dann große Geschwindigkeit erreichen würde, wenn er den Geheilten das Versprechen abnahm, nicht über das Erlebte zu sprechen.
3. Konnte er wirklich heilen und Wunder tun?
Die gereinigte und von allen großen Ängsten befreite Seele dieses Menschen bewirkte, dass sein Körper auf ein energetisches Niveau angehoben wurde, das einer starken Heilkraft entsprach. Die Kranken, denen er die Hand auflegte, waren nur in ihrer eigenen Vorstellung und in der ihrer kulturellen Umgebung von bösen Geistern besessen. Damals gab es kaum andere Möglichkeiten, eine Krankheit zu beschreiben, es sei denn durch Besessenheit.
Da Krankheiten in aller Regel aus einem gestörten Energievolumen herrühren, war es Jesus ein leichtes, durch Berührung den Ausgleich, die energetische Harmonie wiederherzustellen. Ebenso verhält es sich mit denen, die für tot gehalten wurden, ohne dass eine vollständige Lösung der Seele vom Körper vonstatten gegangen war. Das zwölfjährige Mädchen, das Jesus ins Leben zurückholte, hatte im Koma gelegen und war nicht mehr als lebendig zu erkennen. Doch ihre Seele hatte sich noch nicht vollständig vom Leib gelöst. Deshalb, und weil der Lebensplan dieses Mädchens in keiner Weise erfüllt war, kehrte sie in den Körper zurück, als sie die Energie bereitgestellt sah, die Jesus ausstrahlte.
Das so genannte Wunder von Kanaa gehört wiederum in den Bereich der Mythen und Legenden und entstammt einer späteren Tradition, die Jesus auch andere Wunder zuschreiben musste, um diejenigen zu überzeugen, die mit diesen Maßnahmen erreichbar waren. Doch auch die Jünger selbst benötigten, um der Sache weiter zu dienen, Beweise, die sie als handfest ansehen konnten, und ihre Fähigkeiten der Autosuggestion ließ sie Dinge sehen und sagen, die zwar stattfanden, aber aus ihrem mangelnden Verständnis heraus in einer Weise interpretiert wurden, die nicht korrekt war.
Weil Jesus verzeihen konnte, hat er mit seinem Beispiel eine neue Hoffnung und eine neue Weltsicht geschaffen, die die Menschen damals und heute von der Angst befreit, für ewig verdammt zu sein selbst durch Handlungen, die nur gegen die Gesetze der Menschen verstoßen. Mit diesen Gesetzen meinen wir auch die Gesetze des gläubigen Judentums, die sich als ehernes Gesetz Gottes ausgaben. Ohne die Kunde, dass Jesus seinen Leib zur Verfügung stellte, um die Sünden der Welt auf sich zu nehmen, wären die Menschen seiner Zeit weiterhin in der Hoffnungslosigkeit versunken.
Aber auch der Gekreuzigte kann keinen einzigen Menschen von seiner Verantwortung der Liebe gegenüber lossprechen. Deshalb sprach er: »Es gibt nur eine Sünde und das ist die Sünde wider den Geist Gottes. « Dieses Wort wurde missverstanden im Sinne derer, die den Geist Gottes mit den Gott zugeschriebenen Gesetzestexten in eins setzten. Jeder von euch, jedes Individuum, jedes Fragment hat seine eigene Verantwortung zu tragen und wächst an eben dieser Verantwortung. Niemals wäre Jesus auf den Gedanken gekommen oder bereit gewesen, euch diese Wachstumsmöglichkeit zu nehmen. Im Gegenteil: Er wollte euch eine neue Möglichkeit geben, die Verantwortung selbst zu tragen, anstatt alles den verselbständigten Vorschriften der Religionshüter zu überlassen. Nicht das Gesetz soll entscheiden, was richtig und was falsch ist vor Gott, sondern der Mensch selbst. Und wenn der Mensch Jesus als Kind seiner Zeit noch von Strafe und Verdammnis sprach, erreichte er damit diejenigen, die in anderen Kategorien weder fühlen noch denken konnten, und darüber hinaus meinte er auch das kosmische Gesetz des Ausgleichs, das unausweichlich dort eintritt, wo ein Mensch sich gegen die Liebe gestellt hat. Die ewige Verdammnis gibt sich den Anstrich einer grausamen Bestrafung, doch wird deutlich, was der Gekreuzigte am eigenen Leib erfuhr, nämlich dass die Bestrafung nicht in den Qualen der Hölle besteht, sondern darin, dass die Verantwortung, die ein Mensch durch den Verstoß gegen die Liebe auf sich lädt, in jedem Fall ausgeglichen und gesühnt werden muss, bis eine Harmonie hergestellt ist, die dem Wachstum der gereinigten Seele entspricht.
Der Glanz, der eine alte Seele auf der siebten Stufe ihrer Entfaltung umgibt, wird von vielen, die in ihrer Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten sind, für eine Form der Erleuchtung gehalten, denn es ist ihnen unmöglich nachzuvollziehen, dass ein Mensch, der in allen Bereichen, außer im seelischen, genauso ist wie sie, so voll Liebe, Weichheit und Freude sein kann wie jener.
Aber Jesus hatte die allerletzte Hürde der Angst noch nicht genommen bis zu der Nacht, in der er auf dem Ölberg seine Tränen vergoss und darum flehte, verschont zu bleiben vom bitteren Kelch des Sterben Müssens durch die Hand seiner Freunde. Wenn es ihm nicht so schwer gefallen wäre, hätte seine Bereitschaft nicht denselben Sinn und dieselbe Wirkung gehabt. Nur diese letzte Prüfung, die demütige Unterordnung unter das Gesetz des Ganzen, die Hingabe des gesunden Körpers und der gesundeten Seele, die Überwindung der biologischen Mechanismen, führten ihn zum Sieg über die Angst, die wahrhaftig Erleuchtung genannt werden kann.
Ihr fragt euch gewiss, wie viele solche Erleuchtete es wohl geben mag, jetzt in den Zeiten, die ihr erlebt. Wir sagen euch: Es sind wenige, aber doch mehr, als ihr wisst. Denn die wahrhaft Erleuchteten verlassen ihre Körper fast stets wenige Tage oder Wochen nach ihrer Befreiung von Angst.
Jeder, der einen Körper bewohnt, kommt in seiner Entfaltung früher oder später auf die siebte Stufe des alten Seelenzyklus. Jeder wird eine letzte Inkarnation erleben und seinen irdischen Seelenweg damit abschließen. Das bedeutet keineswegs, dass jeder auch zwingend in diesem Stadium seiner Entfaltung zur Erleuchtung kommt.
Erleuchtung ist untrennbar verbunden mit Bewusstwerdung und Befreiung von Angst. Zunehmend wird die gereifte und gealterte Seele sich von Ängsten lösen, aber selten geschieht es, dass sie sich ganz befreit. Erleuchtung ist kein Produkt des menschlichen Willens, sondern ein Zusammenspiel von Wollen und Nichtwollen, von Festhalten und Loslassen, von Zielsetzung und Ziellosigkeit.
Nur die, die lange und über viele Inkarnationen hinweg an der, Entwicklung ihres Bewusstseins gearbeitet haben, können überhaupt von Erleuchtung profitieren, den anderen bedeutet sie nichts. Die Wege sind verschieden. Nicht jeder muss denselben Weg gehen.
Es gibt Seelen, die sich in bestimmten Positionen innerhalb ihrer Seelenfamilie befinden und daher Aufgaben übernehmen, die nicht allen auferlegt werden. Wenn wir von Auferlegen sprechen, meinen wir damit die selbst gestellten und selbst gewählten Aufgaben, die eine Seelenfamilie als ganzes zu ihrem Entwicklungsziel macht und innerhalb derer einige Mitglieder besondere Funktionen zugewiesen bekommen.
Zu diesen Positionen, die mit Sonderaufgaben betraut werden, gehören die erste und die letzte in der Reihenfolge der Ausstreuung, aber auch jede siebte, die sich damit auf einen Weg der Bewusstseinsschulung aufmacht, der besonderen Einsatz und eine Bereitschaft voraussetzt, auf einer inneren Suche zu bleiben, die anderen Seelen mit anderen Positionen innerhalb der Seelenfamilie erspart bleibt.
Nicht jeder ist ein Suchender, und nicht jeder muss es sein. Auch das sagen wir euch wieder, um bei euch Verständnis und Liebe zu wecken für jene, die nach eurer Beurteilung nicht zu den Suchenden gehören, und die diejenigen, die sich für Suchende halten, gern verachten, weil sie sie für minderwertig erklären.
Der Suchende wird auf seiner Suche zahlreiche Irrwege beschreiten und daher oft umkehren müssen. Er wird die Objekte und das Ziel seiner Suche neu definieren müssen. Er wird sich mit Enttäuschungen auseinandersetzen und mit der Müdigkeit, die ihn erfasst, wenn er trotz allen Ehrgeizes das, was er sucht, nicht findet. Er wird Abschied nehmen müssen von diesem Ehrgeiz und von seiner Willenskraft. Er wird lernen müssen, Schwäche und Hilflosigkeit zu akzeptieren. Er wird sich öffnen für die Gnade, die zunächst in seinem Weltbild keinen Platz hat.
Wir betonen noch einmal: Das Abschließen aller Inkarnationszyklen ist Teil der Inkarnation selbst und kann weder angestrebt noch vermieden werden. Erfolg oder Misserfolg sind keine Kriterien, wenn es um die Frage geht, ob ein Mensch sich noch einmal inkarnieren wird oder nicht.
Wenn eine Existenz im Körper mit einer so genannten Erleuchtung abgeschlossen wird, sei es zwischenzeitlich oder endgültig, ist das nur ein Weg unter vielen, der einem von sieben Menschentypen - nicht zu verwechseln mit den Seelenrollen - aufgrund seiner unablässigen Bemühungen um ein befreites Bewusstsein zuteil wird. Andere Menschentypen kennen andere Bemühungen, und sie sind nicht weniger wertvoll als diese.
Der alten Seelen im Glanz ihrer Liebe aber gibt es mehr. Sie sind die Lehrer und Meister, die reisen oder sich still bereithalten für die, die von ihnen lernen wollen. Wir wollen euch ans Herz legen, diejenigen nicht zu verschmähen, die nach unserer Definition der Erleuchtung zwar sehr nahe sind, sie aber dennoch nicht vollzogen haben. Von keinem lebenden Menschen könnt ihr mehr lernen als von denen, die kurz davor stehen, den Zyklus ihrer Inkarnationen abzuschließen. Sie sind ein leuchtendes und weithin strahlendes Beispiel für das, was ihr alle erreichen könnt und erreichen werdet, auch wenn es nach irdischem und nach kosmischem Gesetz seine Zeit braucht. Und wenn ihr einen Lehrer sucht, so orientiert euch immer daran, ob ihr seine Liebe zum Menschen spüren könnt. Dazu genügt es häufig, dass ein Mensch, der euch etwas lehren kann, in seiner seelischen Entwicklung einige Stufen weiter fortgeschritten ist. Ihr seid nicht unweigerlich darauf angewiesen, von einem schon fast Erleuchteten zu lernen. Die Möglichkeit, an der Liebe eines Mitmenschen zu wachsen, besteht immer, unmittelbar in eurer Nähe.