F: Hallo Michael, kannst du mir den Unterschied zwischen Glaube und Vertrauen erläutern, vor allem in Bezug auf das Leben und auf das Tao, als „Alles was ist“? Du hast gesagt, dass blinder Glaube zum negativen Pol gehört, aber ich habe Probleme zu verstehen, warum Vertrauen in etwas so ungreifbares, wie das Tao, nicht dasselbe ist, wie blinder Glaube.
A: Wir sehen einen großen Unterschied zwischen Glaube und Vertrauen. Der Glaube verlangt von dir, nichts in Frage zu stellen und die Augen zu verschließen, bei allen Abweichungen zwischen dem, was du erwartet oder beabsichtigt hast oder willst und dem, was du erlebst. Vertrauen dagegen beruht auf Erfahrungen, die schon gemacht wurden und erlaubt Freiraum für Fragen und Umkehr von etwas weniger wünschenswertem.
Ich will nicht sagen, dass alle Menschen diese Begriffe so verwenden, wie wir sie definieren. Tatsächlich gebrauchen viele die Begriffe als Synonyme. Vor allem in der „New Age“- Bewegung wird das Wort Glaube oft einfach durch das Wort Vertrauen ersetzt.
Es wird immer Schritte ins Unbekannte geben, die Glaube oder Vertrauen erfordern, abhängig davon, was du bevorzugst. Der Glaube wäre allerdings ein Sprung ins Ungewisse, „im freien Fall“, wogegen Vertrauen es dir erlauben würde, Hilfsmittel zu verwenden, die dir vertraut sind und außerdem ein wachsames Auge auf dem Weg zu behalten.
Kurz gesagt, Glaube ist Ergebung in das Schicksal, Vertrauen ist Anteilnahme am Geschehen.
F: Ja, meine Frage hat viel zu tun mit: Wie vertraue ich dem Unbekannten?
A: Wenn du dich ins Unbekannte bewegst, dann entsteht das Vertrauen darauf, dass du nicht untergehst, aus Erfahrungen, die für den aktuell nächsten Schritt relevant, also anwendbar sind.
Zum Beispiel:
Wenn etwas Unbekanntes vor die liegt oder du dich darin befindest, dann ist es höchstwahrscheinlich, dass du dich auch schon in der Vergangenheit in unbekannten Situationen befunden hast. Vertrauen kann sich dann entwickeln. Wenn man schon oft das Unbekannte überlebt oder überstanden hat, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man es wieder schaffen kann. Auch wenn man Schritte ins Ungewisse macht, ist da doch die Gewissheit, dass Unterstützung und Führung auf dem Weg immer da war, da ist, also auch wohl immer da sein wird. Vertrauen ist nicht die Hoffnung, dass alles gut ausgeht, sondern Vertrauen kann gerade dann zum besten Gelingen beitragen, wenn wir uns aufgrund dieses Vertrauens entscheiden, unser Bestes zu tun.
Vergesst auch nicht, dass die Aufgabe von Widerstand auch eine Form von Vertrauen ist. Wenn man erkennt, dass die Kräfte, die einem entgegenstehen größer sind, als die Fähigkeit, sie zu kontrollieren, weißt du jedoch, dass du dein Bestes geben kannst, um innerhalb oder im Einfluss dieser Kräfte zurecht zu kommen. Zum Beispiel bist du nicht in der Lage, einen Hurrikan zu stoppen, aber du kannst darauf vertrauen, dass du immer dein Bestes tun kannst, um dich vor dieser Kraft in Sicherheit zu bringen.
Anmerkung von mir:
Neugeborene und auch noch kleine Kinder haben sogenanntes Urvertrauen. Sie befinden sich
im "Originalzustand", es ist noch nichts geschehen, das sie an der Richtigkeit von Vertrauen zweifeln läßt.
Es gibt eine Reihe von Worten mit einer ähnlichen Bedeutung: Selbstvertrauen, Zutrauen, Zuversicht, positives Denken, feste Überzeugung. Es sind alles - wie auch die Gegenteile davon - Einstellungen, die auf Gefühlen, Gelerntem, Erfahrungen, Vermutungen und persönlichen Glaubenssätzen beruhen, also alles "Prägungen des Lebens.
Ob und wieweit Vertrauen möglich ist, hängt auch von der Grundeinstellung ab, deren Varianten MICHAEL beschreibt. Skeptiker und Zyniker, besonders, wenn sie im negativen Pol sind, werden sich schwerer tun, als die anderen. Der Idealist und der Spiritualist neigen mehr zu blindem Glauben, als die anderen.
Alle Haupthindernisse – besonders die Selbstmissbilligung und die Unnachgiebigkeit – hindern uns ebenfalls, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.
Selbstbewusstsein ist der Schlüssel für Vertrauen, auch für Vertrauen gegenüber anderen. Gleichzeitig verhindert es blinden Glauben.
Unabhängig davon, welches Wort man gebraucht, finde ich es wichtig, eine Position im Gleichgewicht einzunehmen. Ängste bringen uns aus diesem Gleichgewicht. Ob der positive Umgang und das Leben mit Ängsten rational oder auch ganz irrational bestimmt ist, läuft auf das Gleiche hinaus: Ohne Angst oder mit kontrollierter Angst sind wir besser in der Lage, auch unbekannte Situationen zu meistern. Wir sind wacher, aufmerksamer, bereiter zu handeln, lassen uns nicht so schnell „ins Bockshorn jagen“ und erstarren vor allem nicht zur Handlungsunfähigkeit.